Die letzten Tage waren seltsam ereignislos. Anstatt das große Ganze im Blick zu behalten, habe ich mich in Details festgebissen. Das war vielleicht von Vorteil für einzelne Episoden, ein grundsätzliches Gefühl der Beunruhigung blieb allerdings ständiger Begleiter. Ich wusste, was geschrieben werden musste, jedoch nicht, zu welchem Zeitpunkt. In welcher Reihenfolge sollen die zukünftigen Episoden sichtbar gemacht werden? Vor dieser Frage habe ich mich erfolgreich gedrückt. Zumindest bis gestern. Jetzt steht ein ungefährer Ablauf fest – mit allen Wenn und Abers – und ich verspüre endlich wieder den Drang, neue Worte in leere .docs zu schreiben, anstatt alte Worte in alten .docs bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.
Wichtigstes Erkenntnis dabei ist: Am meisten Spaß macht mir gerade das Verbinden von Lebenspunkten anhand von selbst erdachten roten Fäden. Bestes Beispiel dafür sind die Splitter von 1986 / 1969 / 1994. Beginnt mit dem Absturz der Challenger, setzt sich fort mit der Mondlandung im Fernsehen als ausschweifendes Rauscherlebnis, springt in die Nachbetrachtung eines ausschweifenden Rauscherlebnisses, in dem Henry eine entgegengesetzte Position zu der von vor 25 Jahren einnehmen muss. Von solchen Zusammenhängen (die sich möglicherweise so nur im Lesen in genau dieser Reihenfolge erschließen) hätte ich gern mehr. Werde ich auch mehr haben. Gerade nächste Woche. Nicht immer wird das so funktionieren, oft wird es notwendige Brüche geben und konstruieren werde ich auch. Meinetwegen auf den Effekt hin. Aber wo, wenn nicht hier?
Ein Wort zu „Epikur und Hypatia„. An diesem Splitter schrieb ich gefühlt länger als an den ersten fünf Episoden in der Summe. Was auch an der Geschichte mit Huck begründet lag. Schließlich war / bin ich mir nicht vollkommen sicher, ob und wie sich dieser Zweig einfügt, ob dadurch ein eigentlich unnötig abenteuerliches Element entsteht, was einer angestrebten Wahrhaftigkeit entgegenwirkt. Das fiel mir besonders in den ersten Entwürfen zu diesem Splitter auf: Würde ich mit einer vermeintlichen „Agenten“-Geschichte nicht festen Boden verlassen und damit den sowieso schon komplizierten Zusammenhalt aufs Spiel setzen?
So fühlte sich das anfangs an. Was ich brauchte, war zumindest ein Anschein von Sinn. Glücklicherweise las ich in Stephen Greenblatts „Die Wende. Wie die Renaissance begann“ gerade zu dieser Zeit von der Bibliothek in Alexandria und wie Wissen für viele hundert Jahre verschwand. Und wenn es bei Obsidian um etwas geht, dann Wissen. Oder zumindest Informationen. So ließ sich innerhalb des Splitters ein Zusammenhang zwischen Ort und Henry finden, der nicht vollkommen aus dem Nichts kam. Und sicher, wenn ich ein halbes Jahr Zeit hätte zu perfektionieren, wäre es eventuell möglich, genau dies zu tun: perfektionieren. Aber in einem halben Jahr ist das Leben Henry Sy auch schon erzählt.